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Warum trat der Papst zurück? Der vatikanische Schafspelz

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Warum trat der Papst zurück? Der vatikanische Schafspelz

18.2.2013 / 6.3.2019 / 31.8.2021 – Papst Franziskus gelingt es immer weniger, den Niedergang seiner Kirche aufzuhalten. Dahinter stecken möglicherweise die gleichen Themen, die schon Papst Benedikt XVI. zum Rücktritt gezwungen haben. Dazu ein Rückblick:
Es gibt viele Überlegungen zum Rücktritt von Papst Joseph Ratzinger im Frühjahr 2013, wovon eine besonders markant war. Die renommierte britische Nachrichtenagentur reuters schreibt am 15.2.2013:
„Pope Benedict’s decision to live in the Vatican after he resigns will provide him with security and privacy. It will also offer legal protection from any attempt to prosecute him in connection with sexual abuse cases around the world, Church sources and legal experts say.“
Sein Verbleib hinter den vatikanischen Mauern biete ihm also einen, auf Deutsch übersetzt, „legalen Schutz vor jedem Versuch, ihn in Zusammenhang mit weltweiten Sexualverbrechen anzuklagen, wie kirchliche Quellen und Rechtsgelehrte sagen„.

Hier stand Meldung in voller Länge, die von den deutschen Medien leider totgeschwiegen wurde und leider auch bei reuters.com nicht mehr auffindbar ist: http://www.reuters.com/article/2013/02/15/us-pope-resignation-immunity-idUSBRE91E0ZI20130215

joseph_ratzinger_2Tatsächlich wurde Papst Joseph Ratzinger vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Menschenrechte in Den Haag wegen der Jahrzehnte langen Vertuschung von Tausenden von Kinderschänderverbrechen von Priestern angeklagt; auch, weil er auf diese Weise durch Unterlassung weitere Verbrechen an Kindern begünstigte und diese sogar indirekt förderte, da die Verbrecher nicht bei der Polizei angezeigt wurden und somit straffrei blieben.
Diese Vertuschung hatte er mit brachialer innerkirchlicher Gewalt – nämlich der Androhung von Exkommunikation und damit laut katholischer Lehre „ewiger Hölle“ bei Zuwiderhandlung – maßgeblich mit durchgesetzt.
Dazu ist auch das Buch Angeklagt: Der Papst des britischen Kronanwalts Geoffrey Robertson erschienen (siehe Artikelbild).

Eine weitere Überlegung geht auf eine Meldung von Mitte Februar 2012 zurück, in der Kurienkardinal Hoyos mit den Worten zitiert wird: „Kardinal Romeo verkündete selbstsicher, so, als wenn er dies genau wisse, dass der Heilige Vater nur noch 12 Monate leben werde“. Kardinal Romeos Aussage stamme allerdings bereits von November 2011, wodurch die 12 Monate schon vor der Rücktrittserklärung des Papstes im Februar 2013 abgelaufen wären, so dass man hier eher das Sprichwort „Totgesagte leben länger“ anwenden könnte.
Allerdings könnten durch die Publizierung dieser höchst brisanten Aussage von Kardinal Hoyos im Februar 2012 bestimmte Planungen auch durchkreuzt worden sein. Nicht ausgeschlossen werden kann in diesem Zusammenhang also auch, dass Joseph Ratzinger durch den Rücktritt dieses mögliche Bedrohungsszenario hinter sich lassen konnte und dazu seine Rücktrittsentscheidung intern bereits vor Ablauf der besagten 12 Monate bekannt gegeben hatte. Auf jeden Fall zeugte die Aussage von höchster Unruhe im Vatikan.

Vielleicht hängt dieses Bedrohungs-Szenario auch mit einem weiteren Herd von Unruhe und Verbrechen in der Papstkirche zusammen, der weltweiten Funktion und den Praktiken der Vatikan-Bank, in deren Umfeld es schon mehrere Morde gegeben hat. So sagte der einst von Joseph Ratzinger eingesetzte und 2012 entlassene Bankier Gotti Tedesci nach der Entlassung, er fürchte nun um sein Leben (http://www.theologe.de/theologe16.htm#Tedeschi).

Interessant war auf jeden Fall die unmittelbare Nachfolge-Regelung bei der Vatikan-Bank, die hier wohl nur am Rande von Bedeutung ist, der Vollständigkeit aber mit erwähnt wird.
Der dann ebenfalls wieder von Benedikt XVI. ernannte Nachfolger als Chef der Vatikanbank (IOR = Institut für religiöse Werke) war zunächst der deutsche Malteser-Ritter und Freizeit-Jäger Ernst von Freyberg, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender von Blohm+Voss Shipyards. Diese Sparte des Blohm+Voss-Konzerns wurde vom Eigentümer, dem Rüstungskonzern Thyssen-Krupp, im Jahr 2012 an den britischen Konzern Star Capital verkauft, der daneben noch Kabelnetze und Seniorenheime betreibt. Auf der Homepage von Blohm+Voss Shipyards, deren Aufsichtsratsvorsitzender also jetzt der neue IOR-Chef ist, wird direkt auf Seite 1 allerdings weiterhin zur Blohm+Voss Naval verlinkt. Diese Sparte, in der Kriegsschiffe und U-Boote, z. B. Atom-U-Boote, gebaut werden, gehört weiterhin zu Thyssen-Krupp.
Wie immer man solches nun bewerten mag: Der Vatikan war auf jeden Fall über die Verbindungen des damals neuen Vatikanbank-Chefs noch deutlicher in diese Richtung hin vernetzt. Allerdings trat Von Freyberg quasi als letzte Personalie der Ära Ratzinger auf dem Papstthron nach gerade mal ca. einem Jahr Amtszeit 2014 ebenfalls zurück, so dass wir hierzu noch aktualisieren: Auf ihn folgte der Franzose Jean-Baptiste de Franssu, von dem es 2018 hieß, dass er von den Klerikern des Vatikans „zusehends isoliert“ wurde (deutschlandfunk.de, 8.2.2018), wobei 2019 der Skandal-Herd IOR von der Wahrnehmung wieder in den Hintergrund gerückt war: In den Medien präsent sind seither vor allem wieder die Zigtausende von Sexualverbrechen und Seelenmorden von katholischen Priestern an Kindern. Allerdings wurde ebenfalls 2019 noch dem früheren IOR-Präsidenten Angelo Caloia (1989-2009) wegen Unterschlagung und Geldwäsche der Prozess gemacht.

Zusammenfassend könnte man zum Rücktritt von Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. im Jahr 2013 fragen: Vertuschung von Sex-Verbrechen an Kindern, Bedrohungsszenarien, große Unruhe mit unbekannten Hintergründen in der Vatikanbank, das Alter – was hat also den Ausschlag gegeben? Dass „Altersschwäche“ letztlich der entscheidende Grund für den Rücktritt war, ist unwahrscheinlich, zumal solches normalerweise nicht zu Joseph Ratzinger passt, genauso wenig wie zu seinem Vorgänger Karol Wojtyla. Es machte eher  den Eindruck einer willkommenen Vorlage, die man wie einen Schleier über mögliche andere Gründe legen konnte. Auch die Predigten Joseph Ratzingers nach seiner Rücktrittsankündigung waren nicht von „Altersschwäche“ geprägt.

Fakt ist jedenfalls: Vor allem die Rolle des Alt-Papstes beim Vertuschen von Sexualverbrechen an Kindern durch Priester ist nicht von der Hand zu weisen. So hatte er als Kardinal Ratzinger im Jahr 2001 eigens das Päpstliche Geheimhaltungsgesetz bei diesem Thema bekräftigt, sofern man im Vatikan sich der Sache angenommen hatte.
Und in diesen Kontext fällt auch die Anzeige gegen den Ex-Papst beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und das Bestreben, ihn wegen Vertuschung und Begünstigung von Sex-Verbrechen von Priestern an Kindern zur Rechenschaft zu ziehen.
Joseph Ratzinger wurde deshalb auch seit 2010 immer wieder zum Rücktritt aufgefordert. Und dann folgte eben die Aussage bzw. Mutmaßung von Kardinal Romeo über eine zeitlich sehr befristete Lebenserwartung von Joseph Ratzinger, was immer der Grund für seine „Sicherheit“ in dieser Sache war.

Doch vielleicht kommt bei diesem Rücktritt vom Papst-Thron noch ein weiterer wesentlicher Aspekt hinzu. Die italienische Zeitung La Repubblica schrieb am 21.2.2013 von einem Bericht über „das ganze Ausmaß von Erpressung, Sex- und Machtgier im Vatikan„, so ntv.de am 21.2.2013.
Wörtlich heißt es: „Am 17. Dezember hätten ihm [Papst Ratzinger] drei Kardinäle ihren nahezu 300 Seiten starken Geheimbericht zu der Affäre ´Vatileaks` vorgelegt, in dem es auch um homosexuelle Beziehungen und Erpressbarkeit gehe, berichtete das Blatt, ohne genaue Quellen zu nennen. An diesem Tag habe Benedikt seine lange erwogene Rücktrittsentscheidung gefällt …“
Darin gehe es um „unsaubere Einflüsse“ auf Mitglieder der Kurie und um ein übergreifendes, durch „sexuelle Ausrichtung“ verbundenes Netz von Lobbyisten mit Finanzinteressen.
Gemeint ist vor allem die Homosexuellen-Lobby, der nach der Theologin Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann 60 % der Männer im Vatikan angehören, nach anderen Schätzungen sogar ca. 80 %, und aus deren Reihen Kardinäle laut ntv-Bericht „im Vatikan Sex-Treffen organisiert“ haben. Das weckt erneut auch Erinnerungen an das Verschwinden der 15-jährigen Schülerin Emanuela Orlandi, die für Sex-Treffen einer anderen Vatikan-„Fraktion“ entführt, missbraucht und später ermordet worden sein soll – so zumindest der angesehene vatikanische Chef-Exorzist Gabriele Amorth.

Die Frage, die sich aus dieser Veröffentlichung ergibt, ist: Ist es also nicht nur der Papst selbst, der aufgrund eigener Verfehlungen oder Handlungen zurück treten musste? Sind es in der Summe noch einige mehr, die im Visier von Entlarvungen stehen – der eine als Verbrecher, der andere als Intrigant und wieder ein anderer als Vertuscher? Alles in allem ein Querschnitt aus dem System Kirche, das den Gläubigen auf diese Weise immer weniger als „gottgewollt“ präsentiert werden kann, was es ja auch in scheinbar „besseren“ Zeiten nie war. Denn Jesus von Nazareth hatte nie Priester eingesetzt oder eine katholische Kirche gegründet. Doch der schön getünchte Schein, also letztlich Täuschung und Lüge, ließ sich zu anderen Zeiten besser als angebliche Wirklichkeit anpreisen.

So kann man logisch schlussfolgern: Welche Verbrechen oder Skandale auch zugrunde liegen mögen: Das Papsttum und seine Dogmen und Sakramente haben mit Jesus, dem Christus, nicht das Geringste zu tun. Das Christliche ist nur der Deckmantel der Vatikankirche, also der sprichwörtliche Schafspelz, in dem ein ganz anderes Tier steckt.

Und hier zeigt sich schließlich noch ein weiteres Phänomen: Durch das Rücktritts-Szenario um Joseph Ratzinger mit seinen Spekulationen und dem vielen Wenn und Aber wurde ein großes Interesse der Weltöffentlichkeit auf den Vatikan gelenkt, was für den siechenden und kriselnden Kirchenstaat samt Pontifex in gewisser Weise sogar ein erheblicher Energieschub war. Außerdem lenkte es ein wenig von dem ab, was sonst vielleicht zu diesem Zeitpunkt in das Zentrum der Öffentlichkeit gelangt wäre, z. B. ein möglicher Haftbefehl gegenüber Joseph Ratzinger und eine breite Diskussion über die nachvollziehbaren Gründe; oder neue Entlarvungen aus der Vatikanbank. So aber rückte von da an auch automatisch die Kandidatenkür für den nächsten Papst in den Mittelpunkt des medialen Interesses; so, als ob sich die Welt um den Vatikan drehte und die Welt Päpste bräuchte.

Über theologen

Dieter Potzel, Theologe

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